Dienstag, 19. August 2014

[Rezension] Blind Guardian - A Twist in the Myth

Blind Guardian - A Twist in the Myth
(2006, Nuclear Blast)

1. This Will Never End
2. Otherland
3. Turn the Page
4. Fly
5. Carry the Blessed Home
6. Another Stranger Me
7. Straight Through the Mirror
8. Lionheart
9. Skalds & Shadows
10. The Edge
11. The New Order



Blind Guardian sind so ziemlich die deutsche Power Metal - Band. Mit ihren epischen Melodien, den griffigen Refrains und natürlich Hansi Kürschs gottgleicher Stimme haben sie sich einen Platz in den Herzen internationaler Fans gesichert und gleichzeitig die Messlatte hochgelegt für alle Bands, die in dieselbe Kerbe schlagen wie sie.

Auf A Twist in the Myth verlässt die Band den Pfad, der ihnen ewigen Ruhm einbrachte. Die Erkennungsmerkmale, die unverwechselbaren Eigenheiten im Sound des blinden Wächters sind zwar nicht verschwunden, mitnichten - aber die Neuorientierung gen Progressive Metal ist nicht überhörbar, genauso wenig wie der ordentliche Schuss Symphonic- und Folk Metal, den sie in ihr Klanggebräu gegeben haben. Wenn man böse wäre, könnte man den neuen Stil als uninspiriertes Potpourri aus Helloween, Nightwish und Månegarm bezeichnen. Da aber doch mehr dran ist als das, sage ich, dass Blind Guardian mit dieser Scheibe eine interessante Gratwanderung zwischen den Genres wagen - und dabei auch noch eine gewohnt gute Figur machen.

Die Einflüsse, denen die Band dabei unterworfen war, setzen sich dabei vor allem aus früheren Veröffentlichungen zusammen. Hymnische Stücke wie Lionheart und Otherland scheinen wie eine Hommage an die Imaginations from the Other Side-Zeiten, während das folkige Semi-Akustikstück Skalds & Shadows mit The Maiden and the Minstrel Knight vom Vorgängeralbum A Night at the Opera verwandt zu sein scheint (dieses Album legte übrigens den Grundstein für den neuen Weg, den Blind Guardian nun musikalisch eingeschlagen haben). Turn the Page hingegen weist unabstreitbare Mirror, Mirror-Referenzen auf.

Aber Blind Guardian wären nicht Blind Guardian, wenn sie nicht doch noch etwas Neues zu bieten hätten. Another Stranger Me gibt sich erstaunlich modern, Fly hat eine Tendenz zum Classic Rock, und das epische The New Order sucht mit seiner perfekten Balance zwischen den alten Glanzzeiten und neuen Ufern seinesgleichen in der Szene.

Die Produktion des Albums ist lupenrein, was besonders den Gitarren zugute kommt - anders als bei früheren Veröffentlichungen sind sie glasklar und wuchtig. Auch Leadsänger Hansi Kürsch kann eine deutliche Verbesserung aufweisen; seine Stimme übermittelt die Atmosphäre der Songs ohne jede Mühe, ganz im Gegensatz zu der Gezwungenheit, die A Night at the Opera vermittelte. Besonders druckvoll erscheint das wohl herausragendste Merkmal des BG-Sounds, nämlich die Vervielfältigung von Hansis Stimme zu einem regelrechten Chor. Ein klarer Fingerzeig in Richtung Nightfall in Middle Earth.

Aber das Beste am gesamten Album sind wie immer die Lyrics. Die Band, bzw. Hauptschreiber Hansi, schafft es immer wieder, ohne allzu offensichtliche Klischees auszukommen, ganz im Gegensatz zu vielen ihrer Genre-Kollegen. Vielfältig interpretierbar, episch und wortgewaltig - da geht mir als passionierter Sprachfreak das Herz auf.

Fazit: Blind Guardian gelingt einer der größten Drahtseilakte, dem sich eine Band stellen kann - die Neuerschaffung, ohne die alten Zeiten mit Füßen zu treten. In meinen Augen ist A Twist in the Myth zusammen mit dem 1995er-Klassiker Imaginations from the Other Side und dem 2012-Release At the Edge of Time das beste Werk der Krefelder. Hier wird traditioneller deutscher Power Metal mit einem progressiven und modernen Klang verheiratet und mit der Epik des Symphonic Metal gekrönt. Blind Guardian beweisen einmal mehr, dass sie nicht umsonst auf dem europäischen Power Metal-Thron sitzen. Natürlich 5 von 5 Federn.




Anspieltipps: "Otherland", "Lionheart", "The New Order"

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