Mittwoch, 20. August 2014

[Rezension] R. Scott Bakker - The Darkness that Comes Before

It's a world scarred by an apocalyptic past, evoking a time both two thousand years past and two thousand years into the future, as untold thousands gather for a crusade. Among them, two men and two women are ensnared by a mysterious traveller, Anasûrimbor Kellhus - part warrior, part philosopher, part sorcerous, charismatic presence - from lands long thought dead.

The Darkness that Comes Before is a history of this great Holy War, and like all histories, the survivors write its conclusion.







Format: Taschenbuch
Verlag: Orbit Books
Seiten: 638
Preis: 7.99 £ / 8,20 €

Die Welt, in der The Darkness that Comes Before spielt, ist sehr, sehr düster und pessimistisch. Es gibt scheinbar nichts Positives in dieser Welt, nichts Schönes und Gutes, das zu bewahren lohnt. Bakker versucht zwar, zumindest die Landschaften hübsch detailreich zu beschreiben, aber leider bleibt es bei dem Versuch, denn leider hat er so überhaupt kein Händchen für Atmosphäre. Die Handlungsorte bleiben größtenteils sehr farblos, trotz exzessiver Beschreibungen und Infodump bis zum Geht-nicht-mehr. Wirklich, Bakker erschlägt einen regelrecht mit Infos, am allerliebsten mit Sachen, die der Protagonist weiß, aber an die er in seiner aktuellen Situation ganz sicher nicht denkt.

Womit wir auch gleich beim nächsten Punkt wären: Den Protagonisten. Davon hat Bakker ja so einige. Und allesamt haben sie - Verzeihung - ein ganz schönes Ding an der Klatsche. Nicht einmal Achamian, der ja von den meisten Lesern als einzig vernünftiger Charakter angesehen wird, ist frei von psychischen Problemen. Nein, damit meine ich nicht die Albträume, die in quälen, sondern seine ewigen Selbstzweifel und die Art, wie sich seine Gedanken ständig im Kreis drehen. Wenn ihr mich fragt - und glaubt mir, ich habe einige Erfahrung damit -, leidet er unter starken Depressionen und akuten Minderwertigkeitskomplexen, gepaart mit einer ordentlichen Paranoia bezüglich des Consults (wie ihr vielleicht schon bemerkt habt, habe ich das Buch im Original gelesen und weigere mich, das deutsche Pendant "Rathgeber" zu benutzen - was für eine bescheuerte Schreibweise!)

Wie dem auch sei. Cnaiür, der rasende Wilde, hat mich in vielerlei Hinsicht an Logan Ninefinger aus der First Law-Reihe (zu deutsch: dingsda-Klingen) erinnert, aber auch an Khal Drogo aus Das Lied von Eis und Feuer. Allerdings, wann sind Fantasy-Barbaren je anders dargestellt worden? Richtig, so gut wie nie. Deswegen konnte ich das ganz gut verkraften, zumal ich solche "unzivilisierten" Völker im Allgemeinen sehr interessant finde - manchmal sogar interessanter als diverse fiktive Hochkulturen.

Die wichtigste Figur des Buches - und der ganzen Reihe - ist allerdings Anasûrimbor Kellhus. Das merkt man vor allem daran, dass er als vollkommen überpowerter Superheld (oder eher Bösewicht) dargestellt wird. Was der alles kann! Und wie ich jetzt bereits weiß, wird in den Folgebänden noch eine ordentliche Schippe draufgelegt. Trotzdem - und das ist sehr erstaunlich, denn normalerweise kriege ich von solchen Gary Stus Ausschlag -, finde ich ihn als Person äußerst faszinierend. An manchen Stellen ist er mir sogar sympatisch (!). Ich mag die Art, wie er die Welt betrachtet, auch wenn in seiner Erzählstimme immer eine gewisse Lie to Me erinnert (was definitiv nichts Schlechtes ist, ich habe die Serie ihrerzeit sehr gemocht).
Verachtung mitschwingt. Wie er sein Umfeld genau beobachtet, analysiert und alles Gesehene zu seinem Vorteil ausnutzt. Das Mimik-und-Gestik-Lesen hat mich dabei sehr an die Fernsehserie

Die einzigen weiblichen Perspektivträger sind Esmenet und Serwe - und beide sind Huren. Das finde ich persönlich ein wenig too much, auch wenn es die harten Regeln des Weltentwurfs unterstreicht. Esmenet ist anfangs sympathisch, lässt ihre Intelligenz aber irgendwann elendig in ewigem, extrem nervigem Herumgejammer ersaufen. Damit steht sie gegen Ende des Buches auf der gleichen Stufe wie Serwe - die ich im Übrigen absolut unterträglich finde mit ihrer ganzen weltfremden Naivität. Wie kann jemand, der schon in jungen Jahren vom eigenen Vater in die Sexsklaverei verkauft wurde, so blauäugig sein? Das ist in meinen Augen ziemlich unlogisch.

Bakkers Schreibstil ist im Allgemeinen sehr kalt, manchmal sogar recht steril. Das erstickt, wie vorhin bereits angesprochen, jede Atmosphäre im Keim. Die philosophischen Aspekte hätte man wirklich netter verpacken können, gerade weil sie unglaublich interessant sind. So etwas sieht man in der Fantasy doch eher selten, zumindest in dem Ausmaß, wie Bakker es einfließen lässt.
Das größere Problem des Autoren sind jedoch die Namen. Die Aussprache ist in den allermeisten Fällen extrem gewöhnungsbedürftig; Cnaiür urs Skiötha zum Beispiel wird "Nayur urs Skiota" gesprochen - ohne den Glossar und die darin befindliche Aussprachehilfe wäre ich niemals darauf gekommen, das so auszusprechen. Das ständige Nachschlagen in ebendiesem hat mich sehr aus dem Lesefluss gerissen. Irgendwann habe ich mich dann glücklicherweise dran gewöhnt. Allerdings frage ich mich, was zum Teufel sich Bakker dabei gedacht hat, einen Charakter namens Coithus einzubauen. Coithus! Kaum zu glauben, was? Das ist fast genauso schlimm wie das schwarze Sperma der Bösewichte (die im Übrigen sehr plakativ dargestellt werden, da hätte ich von einem Studenten von gefühlten tausend Fächern, wie es Bakker ist, wirklich mehr erwartet).

So, und nachdem ich jetzt Schreibstil und Charaktere auseinandergenommen habe, kann ich mich auch endlich der Handlung widmen.

Die Kurzfassung: Die Geschichte ist auf langen Strecken sehr, sehr langweilig.

Die detaillierte Fassung beginnt damit, dass sich das Buch wie eine einzige Einführung liest. Natürlich, Welt und Charaktere sind komplex, aber wenn man bedenkt, wie viele Bände Bakker dafür hat, sie vorzustellen (insgesamt 9), dann gibt es hier einfach viel zu viel Infodump. Wie schon an früherer Stelle gesagt, wird man davon regelrecht erschlagen.

Die Bedrohung durch den Consult und die Jagd nach dessen Spionen fand ich von allen Handlungssträngen am interessantesten. Esmenets POV war ziemlich öde; meist hat sie sich nur in ihrem Selbstmitleid gesuhlt ("Oh, ich bin ja schon über 30, meine Schönheit verblasst, und ich sitze bald hungernd auf der Straße, weil keine Freier mehr kommen, und ach ja, ich habe ja sohoho Schuldgefühle, weil ich zugelassen habe, dass meine Tocher stirbt" - ihr merkt, warum ich so angepisst von ihrer Perspektive bin, oder?) Serwes Sicht war auch nicht viel besser, ebenfalls viel Gejammer, und am Ende dann auch noch ein hemmungsloses Anhimmeln von Kellhus, das super in jeden Twilight-Verschnitt gepasst hätte - das hängt einem schnell zum Halse raus.

Nun ja. Jedenfalls wurde ziemlich viel auf den Holy War hingearbeitet, was ja an und für sich gut ist - man muss schließlich die Hintergründe kennen, sonst macht das Ganze ja keinen Spaß -, aber ganz ehrlich: Das hätte man jetzt nicht unbedingt auf fast 700 Seiten in die Länge ziehen müssen.

Fazit: Bakker hat viele gute Ansätze, nutzt das Potential der Geschichte aber leider nicht zur Gänze aus. Er verheddert sich gerne in seinen eigenen Fäden, tritt auf der Stelle herum, zieht Sachverhalte in die Länge oder erklärt sie gleich tot. Es kommt so gut wie keine "physische" Atmosphäre herüber, vieles wirkt steril, die Charaktere handeln manchmal nicht nachvollziehbar (ich sage nur Cnaiür - aber gut, der ist auch ein rasender Irrer). Dafür hat Bakker ein Händchen für Dialoge. Ich jedenfalls fand sie sehr glaubwürdig, nur ganz selten wirkte mal etwas pathetisch.
Der düstere Weltentwurf gefällt mir in seinen Grundlagen super, auch wenn einige Sachen sehr lieblos hingerotzt wirken. Bakker wollte sich offenbar auf die Charaktere und die psychologischen und philosophischen Aspekte seines Werks konzentrieren.
Die Machtkämpfe zwischen den Protagonisten, die ganzen subtilen Gedankenspiele sind gut ausgearbeitet, und nicht ein einziges Mal hat sich Bakker in seinen Intrigen verrannt. Das ist eine hohe Kunst, die gelernt sein will; dafür hat der Mann meinen höchsten Respekt.
Der sparsame Einsatz von Magie wäre für mich eigentlich ein Pluspunkt ... wären da nicht gewisse ekelhafte Absonderlichkeiten, die nun wirklich nicht hätten sein müssen, düsterer Weltentwurf hin oder her. Wenn sogar ich schon etwas richtig ihbäh finde, dann hat das was zu heißen, denn ich bin eigentlich sehr abgehärtet, was das angeht. Selbiges gilt für den Sex im Buch - ich bin wenig empfindlich, aber das war mir echt zu viel. Bei Bakker ist offenbar jeder einzelne Charakter triebgesteuert, ganz egal ob Männlein oder Weiblein.

Von mir bekommt das Buch 3 von 5 Federn. Es ist nicht so, dass es mir nicht gefallen hätte, nur liest es sich eben sehr zäh, und in Anbetracht der angesprochenen Schwächen kann ich einfach nicht mehr Federn vergeben. Aber es gibt einen Sympathiebonus von mir, weil die Welt so unglaublich detailliert ausgearbeitet ist.


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